Schon mal kurz und schnell: Großartig! Still-Leben Ruhrschnellweg, Erinnerungen an den MSV

Zum gestrigen Tag auf der A 40 beim Kreuz Kaiserberg gehen mir zu viele Gedanken durch den Kopf. All das zu ordnen braucht Zeit, dabei will ich erst einmal sofort und ganz schnell meine Begeisterung teilen und mich einreihen in den Chor der freudigen O-Töne. Noch immer bin ich beschwingt von diesem Tag. Noch immer bin ich froh, Teil dieses Ganzen gewesen zu sein und die leichte Stimmung beim Still-Leben Ruhrschnellweg genossen zu haben. So vieles hat zu dieser Stimmung beigetragen. Später sammel ich vielleicht an anderer Stelle noch einmal meine Gedanken. Vor allem aber geht es mir heute um etwas, was ich im Ruhrgebiet viel seltener erlebe als in Köln. Das ist die Haltung der Menschen so einem Ereignis gegenüber, ihr Wunsch gemeinsam an einem Ort uneingeschränkt Spaß und Freude zu haben.

Man kann an allem immer etwas finden, was einem nicht gefällt. Das muss nicht verschwiegen werden, ich habe aber den Eindruck, im Ruhrgebiet rückt dieses Missfallen häufiger in den Vordergrund als im rheinischen Köln, wo es dann das andere Extrem zu beklagen gibt – die blind machende Selbstverliebtheit. Gestern fühlte sich das Ruhrgebiet verbunden. Das gilt es weiter zu erzählen. Immer und immer wieder. Neue Geschichten brauchen Zeit, bis sie in den Köpfen der Menschen angekommen sind.

Bei dieser frohen Grundstimmung auf der A 40 war es ein Leichtes mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und die Idee vom Fan-Gedächtnis zu verbreiten. Was aber sofort deutlich wurde: Die Menschen konnten nur erst einmal nur einen Vorgeschmack auf ihre Erinnerungen geben. Sie zu dokumentieren, dazu blieb weder die Zeit, noch waren die Bedingungen mit all dem fröhlichen Hintergrundrauschen dazu geeignet. Jetzt besitze ich eine lange Liste mit E-Mail-Adressen und Telefonnummer, die es nach und nach abzuarbeiten gilt.

Dann können die Geschichten aus den 50ern von Spielen des Meidericher SV gegen Duisburger SV zu Ende erzählt werden. Dann werde ich erfahren, welche Bewandnis es mit den Steinen des alten Wedau-Stadions gehabt hat, wie „Pille“ Gecks zum Meidericher Spielverein kam, und was in Trier beim Halbfinale des DFB-Pokals 1997/98 während des Elfmeterschießens auf dem Stehplatz passiert ist. Und dann wird auch jene Buchhändlerin eigene Worte für die Geschichte gefunden haben, von der ich heute aber schon in aller Kürze erzählen will.

Während ihrer Lehre um 1980 herum bediente sie in der Meidericher Buchhandlung Filthaut einen ihr unbekannten Kunden. Das Buch, das er kaufen wollte, sollte als Geschenk eingepackt werden. Wie es damals üblich war, gehörte es sich, um das Geschenkpapier auch ein Geschenkband zu wickeln. Das feste Verknoten eines Geschenkband aber ist zu zweit einfacher als alleine. So setzte die angehende Buchhändlerin mit einer Frage an. Ob der Kunde mal eben einen Finger auf den Knoten halten könne.  Die Frage war noch gar nicht ganz ausgesprochen, als ihre  Chefin sie an der Schulter packte und nach hinten zog. Sich entschuldigend übernahm die Chefin den Rest des Einpackens. Bernard Dietz beruhigte die Chefin aber. So eine Frage nehme er doch niemandem übel. Nicht jeder kannte damals Ennatz und wusste, dass er als gelernter  Schmied während seiner Gesellenzeit zwei Finger einer Hand verloren hatte.

Diese kleine Anekdote gefällt mir deshalb so gut, weil in ihr nicht nur bekannte Persönlichkeitszüge von Bernard Dietz erkennbar sind, die den damaligen MSV-Star so beliebt gemacht haben. Außerdem steckt trotz der Kürze der Anekdote viel Alltagsgeschichte in ihr. Es scheint eine Zeit auf, die anders war. Kann man sich vorstellen, dass ein prominenter Spieler des MSV Duisburg heute in die immer noch bestehende Meidericher Buchhandlung geht? Ich kann mir das nur schwer vorstellen. Das Trainingsgelände und die Buchhandlung befinden sich immer noch an denselben Orten, doch das Leben an diesen Orten hat sich sehr voneinander entfernt.

Von einer anderen Entwicklung erzählen die noch Älteren, für die das „M“ im Vereinsnamen noch sehr viel lebendiger ist als das Duisburg. Mehrmals wurde mir gestern gesagt, wenn ich das Fan-Gedächtnis wollte, müsste ich auf meiner kleinen improvisierten Ankündigungstafel aber Meidericher SV schreiben und nicht MSV Duisburg.

Es geht bei den Erinnerungen also immer auch um das Aufzeigen von Entwicklungen. Dazu sind viele Erinnerungen notwendig, und dazu müssen die Menschen machmal auch erst überzeugt werden, dass ihre Erinnerungen wertvoll sind. Manchmal kam ich mir ganz plötzlich wie ein Drücker zum Eintreiben von Spenden oder zum Abschluss von Zeitungsabos vor.  Der Schatz der Erinnerung lag vor mir, aber ich musste reden und reden, um diesen mir so kostbar erscheinenden  Schatz Erinnerung zu retten.  Auch das braucht eben Zeit bis die Idee Fan-Gedächtnis Gestalt in fremden Köpfen erhält. Für mich haben sich meine Ziele bei dem Projekt jedenfalls weiter geschärft. Es wird wahrscheinlich tatsächlich sehr viel einfacher werden, Erinnerungen zu erhalten, die an den Fußball gebunden sind. Für alles weitere, den Alltag drumherum, dafür müssen die Blicke der Menschen auf ihre Erinnerungen noch gelenkt werden.

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