Von Auswärtsfahrten in den 50ern und Kloppereien – Fangedächtnis MSV

Da der Zebrastreifenblog doch mehr Leser erreicht als drüben das „Fan-Gedächtnis“, stelle ich auch hier online, was Hans F. (*1939) mir  für das „Fangedächtnis des MSV Duisburg“ über seine Erfahrungen mit Auswärtsfahrten in den 1950er Jahren erzählt hat .

Bahnhof Meiderich-Süd 2020

Ich bin 54 hier runtergekommen, von Schleswig-Holstein, wo wir nach der Flucht erstmal gelebt haben. Und dann ging das los mit dem Fußball, erstmal in Meiderich, die Heimspiele, und dann bin ich einige Zeit auch immer mitgefahren. Nach Aachen nicht, das war zu weit. Aber so hier in der Nähe. Horst-Emscher, Bottrop, Schwarz-Weiß Essen, Schalke. Und Oberhausen, da sind wir am Kanal lang gelaufen. Da lief ne ganze Meute. Das war immer gut besucht, damals zu der Zeit. Dann hatte ich noch so einen Kollegen, dessen Vater war auch so ein Fanatiker. Der fuhr oft mit dem Auto. Da bin ich auch oft mitgefahren. Der hatte ein bisschen Geld. Der ging im Stadion dann dahin, wo so feinere Leute waren. Ich will fast sagen, so mit Schlips und so.

Mit dem Zug konnt’st du immer vom Meidericher Bahnhof losfahren. Das stand meistens in der Zeitung. Ich habe das aber von den Kollegen erfahren. Wenn du ein paar Pfennig übrig hattest, dann bist du mitgefahren. Die Fahrkarte, was die kostete, weiß ich nicht mehr, und der Eintritt kam noch hinzu. Das waren vielleicht zwei Mark zu der Zeit. Das wundert mich eigentlich, dass sie damals die Züge eingesetzt haben. Das ging ein paar Jahre so. Denn auf einmal war Schluss. Dann gab es das nicht mehr. Warum weiß ich nicht.

Als wir nach Horst-Emscher gefahren sind, also, der Zug war voll. Ich schätze, an die tausend Leute waren das, die alleine dann nur mit dem Zug gefahren sind. So tausend, das kam seltener vor. Meist waren es so vier-, fünfhundert, die fuhren immer mit. Als wir damals in Horst-Emscher ankamen, dann musten wir durch die ganze Stadt laufen. Da sind wir über eine halbe Stunde gelaufen, damit wir ans Stadion kamen.

In dem Zug waren überwiegend Männer und dann ja auch Kinder. Wir waren damals 15, 16. Aber sagen wir mal so, Frauen kaum. Du hast fast nur Jungen und Männer gesehen. Es gab auch schon so Grüppchen. So zwanzig, dreißig, die zusammenhielten, so Cliquen, die hatten Trikot an. So was alles, ’ne Fahne.

Ich glaube, nachher wurden sogar die Fahnen verboten, wegen der Stangen, weil sie damit gekloppt haben. Ich haben einmal so eine Klopperei mitbekommen. Das war damals bei Hamborn 07, da hatte Wuppertal gespielt. Die Jugend vom MSV, die hatte da ein Vorspiel gehabt. Ich war ja mit dem Pitter Danzberg befreundet, und mit dem bin ich immer mitgefahren, mit der A-Jugend. Der hat immer gesagt, der gehört zu mir, und dann konnt’st du mitfahren. Das war immer gut.

Die Klopperei war dann vorm Stadion. Das waren bestimmt 100, 150 Leute. Das war das alte Stadion noch. War das das mit der Rennbahn? Das mit der Schräge. Ich glaube, das war das mit der Rennbahn, Schwelgernstadion, oder? Ich weiß nicht mehr genau. Das Spiel war noch nicht zu Ende. Da war ein Foul, und auf einmal war die Klopperei da. Das Stadion war ja nicht so groß in Hamborn. Da gingst du fünf, sechs Stufen hoch. In Meiderich musstest du höher. Das war ja auch größer in Meiderich. Und dann war da so ein Vorplatz, da haben die sich gekloppt. Da gab es einen, der hatte so einen Motorradhelm. Früher war die ja noch so plump, da hat der mit dem Helm immer rumgeschlagen, und auf einmal war der Helm weg. Da war der am Heulen. Da kamen dem die Tränen. „Mein Helm. Der teure Helm.“ Da sagt einer: „Ja, warum haust du damit?“ Der hat da richtig mit draufgezimmert. Früher waren die ja richtig so mit Leder und auch was Stahl drinnen. Der hat da richtig mit gekloppt. Und dann auch mit Fahnen. Da ging es aber richtig zur Sache. Ich habe mich da so am Rand gehalten. Ich dachte, bloß nicht da so rein. Nein, das ging da zur Sache!

Da waren oft so Kloppereien. Auch in Meiderich bei den Heimspielen. Gegen Essen damals, du musst mal denken, was da Zuschauer aus Essen kamen, oder was das für andere Vereine waren, wo die alle herkamen. Da kam es dann leicht zur Schlägerei. Da kloppten die sich oft. Die Fans, die standen dann da. Da wussteste, da gibt es gleich Klopperei. Die waren da drauf aus. Genau wie heute auch. Da hat sich nicht viel geändert. Damals waren sie nicht so brutal wie heute. Wenn einer auf der Erde gelegen hat, dann war gut. Aber heute treten sie ja noch drauf und alles. Klopperei ist nie ganz fair, aber so wie heute, das gab es früher nicht. Das war dann nicht im Stadion. Das ging schon auf den Straßen dann los.
Auch im Zug gab es oft Krach. Selbst unter den Fans vom MSV. Vor allem auf der Rückreise immer. Wenn du dann noch verloren hattest. Oh je. Dann gingen oft entweder ein paar dazwischen oder die haben sich so beruhigt. Sicher, da war Zugpersonal, aber da fuhren nicht viele mit. Da war schon oft was los.

Und wenn wir dann in Meiderich ankamen, dann ging es raus, durch den Tunnel und da verteilte es sich dann. Dann war finito. Manche gingen noch in die Kneipe. Da waren ja etliche Kneipen, da in der Gegend am Bahnhof. Da war auch noch das große Tanzlokal. Aber ich hatte ja kein Geld mit 15, 16. Aber die, die Geld hatten, die gingen noch.

Ein Kommentar

  1. […] Auf den ersten beiden Plätzen aber befinden sich Texte, die uns aus den gegenwärtigen Sorgen führen.  Platz 2 zeigt, wie sehr uns Erfahrungen als Fan des MSV aus der Vergangenheit interessieren. Im Fangedächtnis des MSV Duisburg sammel ich seit Jahren Erinnerungen, bei denen der MSV eine besondere Rolle spielte. Hans F., Jahrgang 38, erzählte mir Von Auswärtsfahrten in den 50ern und Kloppereien. […]

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