Dieser Fußball hat ein Problem

Die einen spielen in der Bundesliga um Platz fünf als Eintrittskarte zum Europapokal, die anderen spielen in derselben Liga und in Liga zwei gegen den Abstieg. Nicht zu vergessen das Mittelmaß in Liga eins. Die Mannschaften haben alle etwas gemeinsam. Sie spielen zu schlecht, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Anscheinend spielen sie so unfassbar schlecht, dass es nedfuller in Hamburg in  seinem Blog die  Stimme verschlägt. Dass in Bochum im Blog 18:48 wegen des Schocks ein freiwilliger Abstieg erwogen wird und Ben Redelings in seinem Blog Scudetto Köln und den FC gleich in Mithaftung für die eigene schlechte Stimmung nimmt. Sie spielen so schlecht, dass in Rostock die alten Zuschauer von der Erinnerung an vergangene Zeiten überwältigt werden und die Jüngeren das Wir-sind-und-ihr-nicht-Traditional ausdrucksstark in Erinnerung rufen. So schildert es Ronny Blaschke in diesem Artikel zur Niederlage vom FC Hansa Rostock gegen den FSV Frankfurt. Nicht zu vergessen der vielerorts beschmunzelte „Scheiß-Millionäre“-Gesang der Anhänger in Hoffenheim in der letzten Woche.

Liest man ein wenig herum, ist in Hamburg vor allem der Trainer schuld. In Bochum sind es Spieler und Trainer gemeinsam. In Rostock und Hoffenheim sind es vor allem die Spieler. Dennoch sind die Vorwürfe dieselben. Die Zuschauer erkennen nicht, dass die Spieler ihren Möglichkeiten gemäß Fußball spielen wollen. Das erinnert wiederum auch an den MSV Duisburg. Diese Saison haben wir uns nur recht früh schon an unseren schlechten Gefühlen abgearbeitet. Vielleicht aber ist auch die Leistung der Mannschaft nicht dauerhaft zu schlecht gewesen, als dass bleibende Wut sich entwickeln konnte. Darüber hinaus gab es den  Nebenschauplatz Auseinandersetzung mit den Vereinsverantwortlichen, auf dem viel Energie gebunden war. Auf diese Weise sind zum Ende der Saison rund um den MSV Duisburg für mich eher gemischte Gefühle entstanden.

Zum Beispiel bleibe ich mit meiner Enttäuschung über den nicht gelungenen Bundesliga-Aufstieg vom MSV Duisburg als Zuschauer allein mit anderen Zuschauern. Na gut, Walter Hellmich ist auch enttäuscht. Aber die Spieler? So richtig verlassen will ich mich auf ihre Enttäuschung nicht. Mein Misstrauen richtet sich aber gar nicht an die Spieler persönlich, sondern dieses Misstrauen ergibt sich aus dem Wissen, dass meine Enttäuschung in einem anderen Sinnzusammenhang zu Hause ist als eine mögliche Enttäuschung der Spieler. Meine Enttäuschung ergibt sich aus meiner Verbundenheit mit dem Verein, eine mögliche Enttäuschung der Spieler ergibt sich aus deren Verbundenheit mit ihrer beruflichen Karriere. Mein Misstrauen und die Wut der Anhänger in den anderen Städten sind also Symptome für grundsätzliche Schwierigkeiten des Fußballs durch dessen Professionalisierung als Unterhaltungsbranche. Erreicht eine Mannschaft die gesteckten Ziele nicht, ist für den Berufsfußballer nichts an die Stelle der alten Vereinsverbundenheit getreten. Da gibt es nichts, worauf wir Zuschauer uns verlassen können. Deshalb wird Geld als verbindendes Element von Fußballer und Verein offensichtlich und manchmal dann skandalös.

Auch wenn wir Zuschauer es nicht gerne hören, wir haben Anteil an diesem Skandal und dem doppelbödigen Fußball der Gegenwart. Wir erinnern uns mit Wehmut an die Vereinsverbundenheit alter Zeiten und dem daraus sich ergebenden Vertrauen darauf, dass die Spieler sich für den sportlichen Erfolg anstrengen. Aber wir wollen auch lieber Siege sehen als Niederlagen und zwar nicht morgen oder übermorgen sondern heute. Deshalb hören wir vor einer Saison, es geht um den Klassenerhalt mit jungen Spielern. Den wollen wir aber dauerhaft ungefährdet auf Platz vierzehn, und der Trainer muss gehen, wenn das nicht klappt. So geschehen in dieser Saison in Nürnberg. Deshalb hören wir vom Ziel gesicherter Mittelplatz. Wird der aber mit unattraktivem Fußball erreicht, ist das nicht recht. So geschehen in Köln.

Vielleicht drückt sich in Unzufriedenheit der Zuschauer ein unaufhebbarer Widerspruch der Unterhaltungsbranche Fußball aus? Oder hat sich die Unterhaltungsbranche bislang nur zu viel Gedanken über die Ertragsoptimierung gemacht und zu wenige wie der Geschäftsführer vom DSC Arminia Bielefeld Heinz Anders. „Wir wollen, dass sich Arminia demnächst nicht nur am Tabellenstand messen lässt, sondern vor allem am ‚Arminia-Gefühl'“, hatte er im März gesagt. Auf die Unterhaltungsbranche Bühnenbetrieb angewendet heißt das, die kulturelle Identität des klassischen Schauspiels in einem Musical-Theater des Londoner Westends unterzubringen. Ob das klappt? Dieser Fußball hat jedenfalls ein Problem, und das ist nicht der sportliche Misserfolg einzelner Vereine.

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