Wäre Cricket vielleicht eine Lösung?

Schade, dass ich mit Cricket nichts am Hut habe.  Mein erster Tag wieder zu Hause hätte sonst schwungvoll begonnen. So viel Englishness habe ich nämlich beim Urlaub in Südengland und London bewiesen. Nach Nachrichten, Diskussionen und Expertenmeinungen über die Riots habe ich bei der Sportberichterstattung nicht abgeschaltet. England hat nämlich gerade Indien bei einer Begegnung im Cricket in Grund und Boden gestampft, und irgendwer bei der BBC überlegt sogar, ob es jemals ein besseres englisches Cricketteam gegeben hat. In England benutzt wahrscheinlich niemand solche drastischen Bilder für einen Sieg bei dieser feineren Variante des Sports. In meiner Sprache macht sich mein eigentliches Ziel der Zuneigung eben doch sofort wieder bemerkbar. Aber an solch einen triumphalen Sieg für den MSV Duisburg ist im Moment ja nicht zu denken. Mir würde ein klug herausgespielte 1:0 auch schon völlig reichen. Beim zusammengewürgten Stolpersieg käme ich allerdings weiter ins Grübeln.

Wieder zu Hause sein. Wie schön, wie schrecklich. Ich kenne nun das Ergebnis vom Heimspiel gegen den FC Hansa Rostock, lese die Berichte zum 0:0 und nehme die Stimmung danach zur Kenntnis. Kurz und knackig findet sich diese Stimmung in Tinas Achterbahn – mit übrigens neuer Adresse für den Blog. Da dunkelt am Horizont die Vergangenheit ab dem vorletzten Jahr. So eine Stimmung langt für eine Woche Sorgen und Nachdenklichkeit. Was geschieht da bei Mannschaft und sportlicher Leitung?

Nehmen wir mal ein wenig Abstand und überlegen, wie sich die gegenwärtige Lage von der im letzten Jahr unterscheidet. Da sind zunächst und vor allem die Erwartungen an diese Mannschaft. Letztes Jahr waren alle im Verein und um den Verein herum schon mit kleinen Erfolgen zufrieden. In diesem Jahr schien es, als befände sich der MSV Duisburg auf einem ambitionierteren Niveau. Die Wirklichkeit entspricht den Erwartungen nicht. Im letzten Jahr hätten wir Fans und die Verantwortlichen im Verein mit Geduld auf bessere Zeiten gehofft. In diesem Jahr gibt es diese Zeit nicht. Dementsprechend ist die psychische Situation für alle Beteiligten eine vollkommen andere. Womöglich ist diese veränderte Ausgangssituation von uns allen unterschätzt worden. Diese veränderte Ausgangsposition führt etwa zu auseinander treibenden Energien bei der Wertung zum Spiel. Milan Sasic sagt nach dem Spiel: „Kein Verantwortlicher in diesem Verein übt Druck auf die Mannschaft aus.“ Hingegen Goran Sukalo großen Druck  spürt, wenn er sagt: „Der MSV ist ein großer Verein und alle erzählen vom Aufstieg“. Zunächst ist es völlig unerheblich, woher der Druck kommt. Wenn er denn da ist, ist er da, und damit muss Milan Sasic umgehen – auch wenn er sich noch so ärgert. Später mehr dazu.

Sehen wir weiter: In der letzten Saison gab es mehrere Spieler mit Wünschen und Hoffnungen für die Zukunft der eigenen Karriere. Das war natürlich ein Julian Koch, der sich beim MSV Duisburg spielerisch verbessern wollte für seine Zukunft bei Borussia Dortmund. Das war ein Stefan Maierhofer, der seine Karriere bei der österreichischen Nationalmannschaft fortsetzen wollte und deshalb Spielpraxis suchte. Das waren aber auch sogar Filip Trojan oder später Ivica Banovic, die sich ebenfalls sich aus dem Stillstand ihrer Karrieren herausarbeiten wollten. Dazu kamen Olcay Sahan und Sefa Yilmaz. Beide jung, ehrgeizig und mit deutlich nach oben weisenden Leistungskurven. Zu anderen Spielern ließe sich ähnliches sagen, belassen wir es bei dem kurzen Ausflug in die Vergangenheit. Diesen Spielern gemeinsam war aber das klare Wissen, für ihre sehr individuellen Ziele brauchten sie den Erfolg der Mannschaft. Ohne diesen Erfolg der Mannschaft hätten sie sich noch so sehr anstrengen können, ihre individuellen Qualitäten hätten sie nicht zeigen können. Diese Mannschaft startet also mit einer großen psychischen Energie und der Unbelastetheit des Außenseiters.

Die Zusammensetzung des Kaders in dieser Saison sieht völlig anders aus. Bei den Neuverpflichtungen gibt es weitaus weniger Spieler, die sehr konkrete individuelle Ziele haben. Erfolgreich sein will jeder, doch ist diese Zielsetzung viel zu allgemein, um dafür zum einen regelmäßig an Leistungsgrenzen zu gehen, aber auch um sich mit den eigenen Interessen in einer Gruppe einzufügen. Je allgemeiner mein Bild von Erfolg, desto unkonkreter der Anspruch an die eigene Leistung und desto leichter wird der Verweis auf andere für Misslingen. Auf mich macht es den Eindruck, als ob zu viele der Spieler sich des notwendigen Zusammenhalts der Mannschaft ungewiss sind. Bei all dem, was ich bislang gesehen habe, wirkt es oft so, als hätten die Spieler ein Bild von ihrem Spielvermögen, in dem Mühen des Ligaalltags noch keinen Platz haben. Wenn ich zurückdenke an den letztjährigen Saisonauftakt beim Pokalspiel in Lübeck, so war dort die Freude über den Erfolg als Gemeinsamkeit spürbar. Das war ein ausgelassenes Feiern beim Sieg gegen einen niederklassigen Verein. In Babelsberg hat es das in dieser Form nicht gegeben. Sicher war da Freude zu sehen, aber die psychische Energie spendende Gemeinsamkeit konnte ich in der Freude der Mannschaft nicht spüren.

Ich gebe zu, ich befinde mich hier auf dem weiten Feld von Spekulation und diffusem Herumtasten. Mein Grund dafür sind aber die Stellungnahmen von Spielern und sportlicher Leitung. Da erlebe ich ebensolches Spekulieren und Herumtasten auf gleichem Gebiet. Bei der Suche nach Gründen für schlechtes Spiel geht es nach dem Spiel gegen den FC Hansa Rostock wenig um die taktische Ausrichtung. Es geht um individuelle Fehler und die Psyche.

An dem Punkt beginnt mich eine kleine Sorge zu kitzeln und die heißt Milan Sasics Persönlichkeit. Erfolg hatte er mit einer Mannschaft, deren Fehler er verzeihen konnte. Im Moment wirkt es nach außen nicht so, als sei er diesem Kader gegenüber so fehlertolerant wie dem letzten. Nun kann man sagen, das muss er auch nicht sein. Die Spieler kamen mit dem Versprechen auf ein anderes spielerisches Niveau. Doch in der vorletzten Saison gab es solche Spieler dieses Niveaus im Verein ebenfalls, und sein Umgang mit dem Misserfolg damals verbesserte die Situation nicht. Die Situation jetzt gleicht ein wenig der damals. Die Zusammenstellung des Kaders bringt es mit sich, dass nicht mehr alle Spieler aus einer Underdog-Situation kommen und in Milan Sasic den Mann sehen, der ihnen bei ihrem sehr persönlichen Karriereziel per Erfolg der Mannschaft weiterhilft.

Ich hoffe sehr, dass Milan Sasic mehr Möglichkeiten hat, Spieler anzusprechen, als er es nach außen zeigt. In Momenten des Misserfolgs ist es ein schwieriger psychischer Balanceakt, wenn ein Trainer sich mit dem Publikum solidarisiert. Da gehört dann viel Nacharbeit im Trainingsalltag zu, damit eine Gruppe nicht zerfällt. Wenn ich bei Tina zu so einem frühen Zeitpunkt der Saison von einem heftigen Streit zwischen Mannschaftskameraden lese, wird das Kitzeln der Sorge fast schon unangenehmes Bohren. Sicher, ich bin weit weg von der Mannschaft. Ich bin nicht bei den Kabinenansprachen dabei. Ich weiß nicht, wie die Spieler sonst miteinander umgehen. Mir ist unbekannt, wie stabil das Vertrauensverhältnis der einzelnen Spieler zu Milan Sasic ist. Ich will all diese Gedanken nicht, doch sie stellen sich nach diesem Saisonstart ein, und ich beginne mich schon wieder zu fragen, wie das Darüberschreiben zur Stimmung beiträgt. Auch das erinnert mich so unangenehm an alte Zeiten. Andererseits sind diese Stimmungsausschläge mir dann doch lieber, als der spannungsarme Jubel beim Nachmittagstee auf der Tribüne in London, nachdem unten ein weiß gekleideter Mann einen Ball, kunstvoll angedreht, durch die Gegend geworfen hat.

19 Kommentare

  1. Ich glaub, es geht schon wieder los…

    0:0 gegen Hansa Rostock, und dabei hatten wir noch Glück, dass es zur Halbzeitpause nicht schon 3:0 für die Gäste stand. (Da muss man ja schon dankbar sein.) Hurra, der MSV ist da – so wie wir ihn kennen, so wie wir ihn in Erinnerung hatten. Die …

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  2. Ich glaube, ein gewisses Problem entsteht erst durch den Vergleich mit
    der Vorsaison. Da war jedes gewonnene Spiel noch ein Hammer. In der
    Rückrunde ist aber doch nachhaltig die Puste ausgegangen. Was aus
    der Vorsaison bleibt, ist der finanzielle Spielraum für die Erweiterung des
    Kaders, und hieraus resultierend das deutlich grössere spielerische
    Potential, das man in den Vorbereitungsspielen ja eindeutig auch gesehen
    hat.
    Maierhofer schön und gut, aber sehr flexibel war der jetzt gerade nicht.
    Wann er wieder richtig fit geworden wäre, weiss man nicht. Vieles gelang
    letztes Jahr durch Standards, aber auf diesem Wege allein kann es nicht
    immer klappen. Wieviel Geld Maierhofer gekostet hätte, und ob er soviel
    dann wert gewesen wäre, ob man sich dann von ihm allein abhängig
    gemacht hätte? Ich persönlich finde, man hat mit Shao und Jula eine sehr
    hochwertige Alternative gefunden, und zwar rechtzeitig.
    Die Flügelleute sind schnell und technisch gut, es feht ihnen an Übersicht
    im Zusammenspiel, und es mangelt, typisch für Nachwuchsspieler, an
    Geduld. Gjasula und Sukalo sind im Mittelfeld eindeutig stärker als fast
    alles, was die anderen Vereine dort aufbieten können, und mit Pliatzikis
    steht ein Talent mindestens von der Güte eines Julian Koch auf dem
    Platz. Shao und Jula schliesslich, beide gekauft und nicht nur geliehen,
    sind Leute auf absolutem Erstliganiveau. Ihre Verpflichtung zeigt ganz
    klar, das es beim MSV um Aufstieg, nicht um Abstieg gehen soll, und
    das gelungen ist, sie zu holen, zeigt auch, welches Ruf der Verein unter
    den Profis, zu recht, geniesst. Um das zu untermauern muß man sich
    ja nur mal angucken, wer so alles von hier aus zum Erstligastammspieler
    geworden ist, sei es Makiadi, Tiffert, Starke, Sahan oder sonst wer.
    Klar gibt es wieder Unsicherheitsfaktoren und eine zu erarbeitende
    spielerische Gemeinschaft. Die Jungen brauchen erfahrene Akteure.

    Aber warum Sasic auf einmal wieder in die Kritik gerät, erscheint mir
    nach dem, was er für den MSV bislang geleistet hat, unverständlich,
    und auch, wie schnell für viele wieder alles ins Negative zu kippen
    scheint. Ich glaube, nach vier Spieltagen, nachdem zwei Spiele eher
    knapp verloren gingen und zwei torlose Unentschieden doch zeigten,
    das sich Schwächen korrigieren lassen, kann man zwar von einem
    Fehlstart sprechen, aber noch lange nicht davon, die Saison, auch nur
    die Hinrunde, sei gelaufen. Letztes Jahr sind viele andere, die nachher
    an Duisburg vorbeizogen, viel schlechter gestartet als wir. Ich kenne
    privat so ein paar Düsseldorfer. Die waren auch nach sechs Niederlagen
    am Saisonstart letztes Jahr noch voll solidarisch mit der Mannschaft.
    Ich finde, wir brauchen in Duisburg ein ähnliches Selbstbewusstsein.

    Leisten können wir uns das längst, wenn wir uns mal mit Düsseldorf
    vergleichen. Die haben als Stadion einen hässlichen Flugzeughangar
    und hängen völlig davon ab, das für Sascha Rößler an jedem Spieltag
    die richtige Medikamentenmischung gefunden werden kann. Oder
    Gladbach?! Nur Defensivgebolze, unterirdisch, aber jede Woche
    ausgebucht! Und bezüglich der „alten Zeiten“ sei noch soviel gesagt,
    das der MSV ja immerhin auch unter Neururer immer um den Aufstieg
    mitgekämpft hat, und es vordem noch immer geschafft hat zurück in
    Liga 1, wo er hingehört. Ich bin ganz sicher, das es dorthin zurückgeht,
    und auch, das wir uns dann da behaupten können. Ob es dieses Jahr
    noch was wird, oder im nächsten oder Übernächsten, muss man eben
    mal sehen.

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  3. Da kommt nach dem Dank für diese lange Ausführung, Christian, sofort Zustimmung. Wahrscheinlich überrascht dich das jetzt, aber ich bin bei der Bewertung der Möglichkeiten dieser Spieler ja nicht weit weg von dir. Und Maierhofer habe ich nicht wegen seiner fußballerischen Qualitäten erwähnt. Auch da sind wir uns einig. Ich habe ihn erwähnt, weil er mit einer anderen Zielsetzung nach Duisburg kam, als es Jula oder Shao getan haben.

    Ich vermute deshalb, Milan Sasic kann nicht wie in der letzten Saison darauf bauen, dass alle Spieler ihm unbedingt vertrauen und jede seiner Ansprachen hinnehmen. Tiffert damals, hatte anscheinend Probleme mit ihm. Mir ging es um die psychischen Prozesse innerhalb des Kaders. Ich mag voreilig sein, und die Stimmung im Arbeitsalltag des Kaders ist gut. Aber ich werde ein wenig unruhig, wenn sich Sasic so früh in der Saison von Spielern distanziert. Meine Worte zu Sasic sind keine grundsätzliche Kritik an seiner Arbeit, aber ich hoffe eben sehr, dass seine Trainerpersönlichkeit vielfältiger ist als es in der Öffentlichkeit den Anschein hat.

    Und den Verlauf der letzten Saison für Bochum und Düsseldorf hatte ich schon am zweiten Spieltag als Trost für mich parat. 😉

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  4. …wir werden sehen, aber ich bin auch zuversichtlich und schließe mich Christian (angenehm, Stephan) an…wie auch immer, was aber gar nicht geht, ist dieses völlig platte Negativgeschwätz. Da krieg ich zuviel! lg sp

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  5. Männer bleibt ruhig im Zebrastall.
    Gehe seit über 40 Jahren zu den Zebras und irgendwas war immer und überall.
    Am Montag sehen wir ein anderes Gesicht unserer Zebras.
    Glaube an einen Sieg bei St.Pauli weil er einfach nach 5.Spielen fällig ist, auch wenn keiner daran glaubt.
    Ich ja und ich habe Vertrauen in diese Truppe.
    Wir müssen uns in Geduld üben und ganz wichtig zu Hause mit zwei Spitzen spielen.
    Liebe Grüße aus Bissingheim von Harald.

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  6. Mir ist noch eins wieder eingefallen, was ich auch noch hatte erwähnen wollen. Vielleicht mache ich demnächst auch noch einen eigenen Text draus. Eine starke Persönlichkeit wie Milan Sasic braucht eigentlich einen Konterpart. Das war in der letzten Saison Bruno Hübner. Mit so einer gleichgewichtigen Stimme neben ihm, lassen sich mögliche Irritationen auffangen. Die PK nach dem Busfahrer-Vorfall in der letzten Saison war meiner Meinung nach von Hübner eingestielt. Selbst ein neuer Sportdirektor müsste erst einmal seinen Platz finden. Es könnte eben von Nachteil sein, dass Milan Sasic nun in der Hierarchie der sportlichen Leitung auf mittlere Frist ganz alleine dasteht.
    Ich mache mir auch Gedanken über Benjamin Kern. Es kann nicht sein, dass ein Spieler, der in der letzten Saison entscheidend zu den Erfolgen der Mannschaft beigetragen hat, nicht mal mehr im Kader auftaucht. So schlecht war er im Spiel gegen Cottbus nicht. Dennoch klang Milan Sasic nach dem Cottbus-Spiel wie persönlich gekränkt, wenn er über den Stellungsfehler von Kern sprach, der zum Gegenor führte. Er erwähnte Benjamin Kern nicht einmal mehr mit dem Namen. Ich deute natürlich nur Zeichen, ich weiß nicht, wie gut Benjamin Kern im Training ist. Aber so etwas gibt mir einiges zu denken, das erst durch Erfolg wieder verschwindet.

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  7. Auch ich gehe seit über 20 Jahren zum MSV.
    Ich hatte aber schon vor der Saison ein ungutes Gefühl.
    Letzte Saison war einfach auch viel Glück dabei,das ein Wild zusammer gekaufter bzw. geliehener Haufen so gut zusammen gepasst hat. Diese Saison fehlt uns dieses Glück,es wird eine harte Saison und wenn überhaupt ein unterer Mittelfeldplatz dabei herausspringen.Dies ist und war schon immer das schwere Los des MSV… die besten müssen wieder gehen ! Aber egal was kommt…. Einmal Zebra,immer Zebra ! Ich offe es denken viele so

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  8. Nochmal kurz was zu Sasic: Der war es doch, der letztes Jahr einen
    Maierhofer dazu gebracht hat, sich die zweite Liga zu geben. Er hat
    auch die Truppe ins Pokalfinale geführt, und sie trotz zum Schluss
    bizarrer Personalsituation in der Liga oben gehalten.
    Nach Saisonende hat sich Hübner dann schnell verpieselt und Spieler
    haben begonnen, ihren neu hinzu gewonnenen Marktwert unmittelbar
    zu versilbern. Tiffert, der wohl Sahan nach Kaiserslautern gelockt hat,
    kann ich nicht als einen Freund des MSV betrachten. Ich finde, auch
    Sahan verdankt alles dem MSV und hätte darum ruhig mal etwas
    abwarten können. Veigneau hat vollmundig seinen Anspruch auf die
    erste Liga angemeldet (damit meinte er wohl doch die in Deutschland),
    aber dann wollte ihn da gar keiner. Ebenso scheint Banovic sich ein
    bisschen zu gut eingeschätzt zu haben.
    Zu der Zeit, unmittelbar nach dem Weggang von Hübner (mal gucken,
    ob der sich auch in Frankfurt als Genie erweist oder nicht doch nur
    geschickt bei uns mitgesurft ist wie andere!), da ging es mir richtig
    schlecht und war ich um den Schlaf gebracht, wenn ich nachts an
    meinen MSV denken musste.
    Aber dann hat der Milan Sasic seinen Urlaub abgebrochen und kam
    zurück, und es kamen Meldungen über Meldungen rein darüber, wen
    sie alles halten konnten und noch gekriegt haben. Meine Düsseldorfer
    Freunde glühten vor Neid angesichts von Kastrati, Domovchiyski,
    Shao, Jula, Gjasula, Fromlowitz. Keiner hatte erwartet, das wir solche kriegen können, vor allem, alle diese! Ich finde, das haben sie ganz toll gemacht, der Sasic und seine Leute, und dafür gebührt ihnen erst einmal ganz gehörig (und nachhaltig!) ein großes Paket Respekt!
    Wenn man sich die Truppe vom letzten Jahr anguckt, dann denke ich,
    das es eher für die menschlichen Qualitäten, was immer dies bedeutet,
    eines Milan Sasic spricht, das es ihm gelang, diesen Haufen zum Erfolg
    zu führen. Man sah im Saisonverlauf, das er keine Sprüche klopfte,
    sondern das er die Mannschaftstärke, die Grenzen ihrer Möglichkeiten
    sowie ihre Perspektiven realistisch einschätzte, und das auch so
    kommunizierte. Ich glaube, gerade das hat ihm den professionellen
    Respekt der Spieler eingebracht, und wenn man seine bisherigen
    Trainerstationen nachvollzieht, scheint es so, als habe er immer so
    agiert und als begründe sich darauf ein gewisses Ansehen, das er
    in der Branche zu recht geniesst, und vielleicht hat es auch damit zu
    tun, das es ihm jedes Jahr gelingt, hochwertige Leute zu holen
    (Hübner hingegen stand ja unter Neururer auch mit für eine ganz
    andere Personalpolitik, mehr so „kick and rush“).
    Ich finde, jetzt kann der Trainer auch mal öffentlich meckern. Schliesslich
    wollen wir ja auch wissen, was er zum Fehlstart denkt. Ich finde in dem,
    was er gesagt hat, aber nichts, was die Spieler persönlich diskreditiert.
    Auch Kern hat eine Perspektive im Team, und er will ja auch bleiben.
    Sasic hat die zweite Hälfte gegen Rostock ausdrücklich gelobt, auch
    wenn in dieser ebenfalls kein Tor gefallen ist. Seine Kritik war nicht
    auf das Ergebnis gerichtet, sondern auf die Spielweise, und durch seine
    Erläuterungen dazu sind, mir jedenfalls, die Zusammenhänge deutlich
    geworden.
    Klasse finde ich, wie Sasic sich immer wieder auf Baljak bezieht, den
    viele über den ganzen MaierhoferHype hin schon halb vergessen haben,
    der sich aber mehr um den MSV verdient gemacht hat als irgendein
    anderer in den letzten Jahren, und der sofort wieder mein Lieblingsspieler
    sein wird, wenn er zurückkommt. Ich gaube, wenn Jula, Shao und Baljak
    fit auf dem Platz sind, wird Maierhofer in Wolverhampton seine Stutzen
    fressen vor Wehmut und Sehnsucht, dabei zu sein in dieser Offensive!

    Ich denke immer noch mit leichtem Gruseln an die Äera Neururer mit
    diesen ganzen leblosen Spielen zum Schluss. Dann kam Sasic, und er
    hat, wie er es zu Anfang versprach, für viele den MSV wieder zu einem
    Erlebnis gemacht. Das er nach dem Weggang von Hübner jetzt zu
    autokratisch wurde, glaube ich nicht, ich denke, Grlic und Willi passen
    sehr gut in der Nachfolge. Auch Oliver Reck sieht doch nicht gerade
    aus wie ein Schwächling. Ich finde, man tut Sasic ein bisschen unrecht,
    wenn man seine manchmal holperige Aussendarstellung zu sehr in den
    Mittelpunkt rückt. Ich glaube, er war für den MSV ein seltener Glücksgriff und viele würden sich noch umsehen, wenn er erst mal weg wäre, denn
    einer Truppe mit so einem schmalen Budget, die sich alles selbst
    erarbeiten muß und keine Hilfe, etwa von der Stadt, in Erwartung stehen
    hat, kann gar nichts besseres pasieren als so ein akribischer, uneitler
    Trainer wie Milan Sasic.
    Ich glaube fest daran, das der Mann uns zurück in die erste Liga bringt,
    sofern wir ihm die Zeit und den Raum dazu geben. Schon jetzt hat er
    ja einen gehörigen Mehrwert produziert. Der MSV ist wieder im Gespräch,
    das zum einen, die Schulden sind runter, und der Kader ist, rein bezogen
    auf den Marktwert der Spieler, im Vergleich zum Vorjahr um ein
    Erkleckliches voluminöser. Wenn jetzt wieder alle abhauen wollten am
    Ende der Saison, würde es wenigstens eine Stange Geld dafür geben.

    Ich glaube aber, das wir in jedem Fall einen Relegationsplatz erreichen.
    Es wird in der Hinrunde noch gehörig holpern, aber diese Truppe wird
    sich dann finden, und sie wird eine überragende Rückrunde hinlegen,
    und nächstes Jahr wird man wieder von einer grossen Saison der
    Zebras reden, vielleicht von einer noch grösseren als der abgelaufenen.

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    • Was würde ich mich freuen, wenn deine Prophezeihung wirklich wird. 🙂
      Und nur damit kein Missverständnis aufkommt, mir geht es nicht um Sasics Art der Außendarstellung. Die finde ich sehr sympathisch. Mir geht es um die atmosphärischen Dinge, die ich darin meine, wahrzunehmen und diese ohne Korrektiv ausgelebt haben in anderen Vereinen neben den Erfolgen eben auch zu Schwierigkeiten geführt. Davon bleiben seine Verdienste in der letzten Saison völlig unberührt. Warten wir also ab und bei all der Hoffnung bin ich ohnehin immer mit dabei.

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      • Auch ich möchte Missverständnisse vermeiden: fühle dich bitte nicht
        bedrängt, weil ich anderer Meinung bin. Ich finde, man kann den eigenen
        Laden durchaus kritisch betrachten. Eigentlich mag ich es auch nicht,
        wenn die Anhänger eines Clubs stets unvoreingenommen euphorisch
        sind und so einen Reflex haben in Richtung von Dolchstosslegenden.
        Ich finde nur, in Duisburg ist man bisweilen ganz besonders gerne
        negativ, das hat schon manchmal so etwas selbstquälerisches. Aber
        unter diese Rubrik fasse ich das, was du schreibst, ganz ausdrücklich
        nicht. Ich finde, im Bezug auf die Entwicklung beim MSV ist vorsichtiger
        Optimismus berechtigt, wenn man den Istzustand mit den Prognosen
        von etwa vor zwei Jahren vergleicht, und denke, das ist alles in allem
        entscheidend mit Milan Sasic verbunden. Klar kann es in Mannschaften
        immer zu athmosphärischen Krisen kommen, und obwohl man manchmal
        nicht für möglich hält, wie labil professionelle Sportler mit sowas umgehen,
        kann das eine ganze Saison entscheidend prägen, und es kommt eine
        unaufhaltbare Negativdynamik in die Sache. Das wird man so um die
        Winterpause wissen. Ich glaube, dann kann es auch das Beste sein,
        einen selbst erfolgreichen und verdienten Trainer freizustellen, und
        wenn es um den Abstieg geht, bleibt manchmal auch nichts anderes
        übrig, aber soweit ist es bei uns ja auch noch nicht mal ansatzweise.
        Wünsche dir und mir und uns allen einen grandiosen Montag abend!

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    • Dem MSV immer, den Menschen dort … hmm… das ist schnell gefährdet das Vertrauen … 😉 Lässt sich auch nicht viel dran ändern. Ist auch nciht weiter schlimm, nur wenn es verdrängt wird, so sagt der Paartherapeut.

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  9. @Christian
    Nein, Christian, ich fühle mich überhaupt nicht bedrängt. Im Gegenteil! Ich nehme deine Meinung gerne wahr und empfinde das, was du schreibst, als Bereicherung. Du nimmst eine andere Perspektive ein und erklärst sie. Wunderbar. In dem Sinne, der Montag kann kommen. 🙂

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